Geistliches Wort

Was heißt schon „groß“?

Jesus beobachtete, wie sich die Gäste die Ehrenplätze aussuchten. Das nahm er zum Anlass, sie auf etwas hinzuweisen. „Wenn du bei jemand zu einem Festessen eingeladen bist“, sagte er, „dann nimm nicht oben am Tisch Platz. Es könnte ja sein, dass einer von den anderen Gästen angesehener ist als du. Der Gastgeber, der euch beide, dich und ihn, eingeladen hat, müsste dann kommen und zu dir sagen: ‚Mach ihm bitte Platz!‘ Und dir bliebe nichts anderes übrig, als dich beschämt ganz unten hinzusetzen.

Nein, nimm ganz unten Platz, wenn du eingeladen bist. Wenn dann der Gastgeber kommt, wird er zu dir sagen: ‚Mein Freund, nimm doch weiter oben Platz!‘ Und so wirst du vor allen geehrt, die mit dir eingeladen sind. Denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“

Lukas 14,7–11 (Neue Genfer Übersetzung)

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Wer ist größer? Wer ist der Erste? – Wer ist klein und unbedeutend? Und wer meint, besser zu sein? Jesus ertappt seine Zuhörenden einmal wieder bei ihrer Menschlichkeit. Es geht um Oben und Unten. Jesus selbst ist offenbar bei einem Festessen, und er beobachtet die Gäste. Dabei fällt ihm etwas auf: Es gibt Menschen, die setzen sich immer gleich obenan. Für nachfolgende Gäste bleiben dann nur die niederen Plätze übrig. Jesus aber sagt: Nimm doch lieber erstmal ganz unten Platz. Dann kann es sein, dass der Gastgeber dir nach und nach noch bessere Plätze zuweist. Es ist nicht ungedingt derjenige etwas Besseres, der von sich aus den besten Platz einnimmt. Im Gegenteil: Gott als der Gastgeber in seiner neuen Welt möchte denjenigen Menschen mehr Größe verleihen, die zunächst einmal eher Bescheidenheit zeigen.

Erst drei Wochen arbeite ich in der Königsberger Diakonie als Pfarrerin und Seelsorgerin: in Pflegestationen und auf Wohnbereichen. In der kurzen Zeit habe ich schon viele Menschen kennengelernt, die im Bild Jesu von sich aus vielleicht eher am unteren Ende des Tisches Platz nehmen würden. Aber gerade bei diesen eher bescheidenen Menschen – bei Pflegenden, bei Mitarbeitenden, bei vielen Bewohnerinnen und Bewohnern – konnte ich eigentlich mehr Größe erleben als bei manch anderen Menschen. Menschliche Größe zeigt sich nicht durch einen besonders guten Berufsschulabschluss oder durch eine Bestnote im Vergleich mit anderen. Mit viel Liebe, Zuwendung und Fachwissen tun Pflegende ihren Dienst. Viele Bewohnerinnen und Bewohner bemühen sich um ein gutes Miteinander auf den Wohnbereichen, obwohl es ihnen nicht immer gut geht. Alle Mitarbeitenden in der Diakonie tun ihre Arbeit letztlich als „Dienst am Menschen“. Das ist es, was zählt!

Für Gott ist ein Mensch groß, der sich gerade nicht selbst erhöht. Und oft sind das Menschen, die nicht viel Aufhebens um sich machen. Es sind solche, die sich ganz selbstlos ohne lange zu fragen für ihre Mitmenschen einsetzen. Es sind solche, die ohne Kompromisse zu schließen für die Rechte Benachteiligter oder Ausgenutzter eintreten, sei es in der Pflege oder im Büro. Es sind Menschen, die von sich absehen und Erbarmen haben über der Not ihres Nächsten. Und so wie in der Bibel erwähnt wird, dass Gott die Kleinen und Unscheinbaren ins Rampenlicht holt, so wird auch Gott gerade diesen Ehre erweisen.

 

Gottes Segen für Sie alle,

Pfarrerin Friederike Schuppener