Geistliches Wort

Es ist schwer zu trösten! Auch gut gemeinte biblische Trostworte können verletzen, wenn sie zu schnell dahingesagt werden. „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.“ Dieses Wort aus dem Römerbrief (8,28) kann so ein biblisches Wort sein, das ein zutiefst gläubiger Mensch einem anderen als Trostwort sagt - und vielleicht das Gegenteil erreicht, nämlich dass der Betroffene sich vertröstet vorkommt. Weil es ihm naiv oder unwahr vorkommt. 

Paulus ist sicherlich eines nicht: er ist nicht naiv. Er weiß, was wir nur zu gerne vergessen, dass man erst vom Trost reden kann, wenn vorher die Klage zu ihrem Recht gekommen ist. Denn es besteht ja auch aller Grund zu klagen. Wo Paulus auch hinblickt, es ist so viel Leid in der Welt und deshalb wird so viel geseufzt und so viel geweint. „Die Leiden dieser Zeit“ lassen uns seufzen und wir sehnen uns nach Erlösung von Angst, Schmerzen, Leid und Tod. Paulus hat das am eigenen Leib erfahren und weiß selber  nur zu gut, dass auch von Gott geliebte Menschen davon nicht verschont bleiben. 

Überall nimmt die Angst vor Krieg, Terror, Zerstörung  und Spaltung auch bei uns zu. Aber in diesem „Konzert von Klagen und Weinen“, in dieser traurigen „Symphonie der Seufzer“ (Michael Herbst) ist es das Besondere, dass Gott selbst dieses Seufzen aufgreift und zu seinem eigenen macht. Denn in Jesus nimmt er dieses Seufzen auf (Mk 7,34) und schenkt, zeichenhaft vorweggenommen für das, was er am Ende der Zeit für alle tun wird, einem taubstumm Geborenen (Mk 7, 31ff)  und (vielen anderen Kranken) Heilung und Rettung.

Paulus vergleicht die Welt, unser Leben und Leiden, mit einem Kreißsaal. Es wird gestöhnt und es fließen Blut und Tränen, aber in einem Kreißsaal wird aus dem Schmerz neues Leben geboren. Und Paulus sieht das Leid um uns herum als „Geburtswehen“ der neuen Welt, die Gott heraufführt. So wie sich werdende Eltern bei einer Geburt unter den Wehen kaum vorstellen können, dass die Schmerzen jemals aufhören und am Ende die Geburt eines Kindes steht, so können auch uns „die Leiden diese Zeit“ - von denen Paulus spricht -  jetzt unerträglich schwer werden. Aber Paulus will nur so von der Hoffnung auf eine neue Welt sprechen, dass er an unserem  Seufzen nicht mit schnellem Trost vorbeigeht. Er will alles in den weiten Horizont des Glaubens stellt, den wir so oft aus den Augen verlieren.

So wie Paulus die Klagen zu ihrem Recht kommen lässt, wenn er die Hoffnung, die er hat, entfaltet, so sollen auch wir, wenn wir Kranke oder Trauernde trösten möchten, das Seufzen der Menschen ernst nehmen. Denn dieses Klagen muss ausgesprochen werden dürfen, bevor wir versuchen zu trösten. Oft geht es eher darum ein offenes Ohr und ein offenes Herz zu haben und einem anderen das Seufzen zu ermöglichen und das mit ihm oder ihr auszuhalten. Es tröstet, wenn da einer ist, der sich mit unter die Last und die Klage stellt und dann erst zuspricht „Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes.“ (Röm 8,38).